Männliche Radikalisierungen – eine schamsensible Spurensuch
Männliche* Radikalisierungstendenzen werden derzeit in Theorie und Praxis intensiv mit toxischen Männlichkeitsbildern und medialer Beeinflussung, vor allem von und durch (junge) Männer*, verknüpft.
Dabei werden neben den sozial und gesellschaftlich schädlichen Auswirkungen der mit jener „echten Männlichkeit“ assoziierten Vorstellungen auch der negative Impact auf das Individuum selbst analysiert und verhandelt.
Bemerkenswerterweise bleibt aber die Relevanz der männlichen* Emotionen als elementare Triebfeder für deren Handeln analytisch, aber auch praxeologisch stark unterrepräsentiert.
Dies wirkt erstaunlich, lassen sich doch beispielsweise in theoretischen Deskriptionen, aber auch in Beschreibungen (ehemaliger) Incels, aber auch anderer Radikalisierungsformen Narrative von Kränkungen und Wut, aber auch von Isolation, Einsamkeit und Ohnmacht bis hin zur Depression finden.
Der Zusammenhang zwischen Kränkung sowie Wut und Hass als männliche Abwehrstrategie jenes Schamerlebens liegt zwar auf der Hand. Gleichzeitig bleibt eine diesbezügliche Analyse oberflächlich, wenn sie nicht für die Praxis Handlungsimpulse bereitstellen kann.
Im Rahmen des Vortrags gehen wir daher gemeinsam auf eine Spurensuche nach den Potenzialen einer schamsensiblen Perspektive bezüglich männlicher* Radikalisierungstendenzen, ohne deren toxische Auswirkungen nivellieren zu wollen.
Ferner wird der Frage nachgegangen, inwiefern die Verbindungslinien von Scham und Männlichkeit sowie der spezifische männliche Umgang mit jener tabuisierten Emotion anschlussfähige Perspektiven für die Theorie und Praxis der Jungen*- und Männer*arbeit liefern können.
Daneben wird die Signifikanz eines gelingenden Umgangs mit und die professionelle Begleitung von männlicher* Scham, Kränkung und Beschämung in Beratung und Pädagogik diskutiert.
Vielleicht ist es ja gerade die Scham, die einen wertvollen Beitrag zur Deradikalisierung (junger) Männer* liefern kann…
